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Wir leben im Zeitalter der Großen Transformationen. Es gibt viele davon, aber ich möchte hier nur zwei nennen: die erste bezieht sich auf die Ökonomie, die zweite auf den Bereich des Bewusstseins. Zuchächst, die Ökonomie: Es begann im Jahr 1834, als sich die industrielle Revolution in England festigte. Dabei haben wir es mit einer Bewegung von einer Markt-Wirtschaft hin zu einer Markt-Gesellschaft zu tun. Den Markt hat es schon immer in der Geschichte der Menschheit gegeben, doch noch nie zuvor gab es eine Gesellschaft, die nur aus Markt bestanden hätte. In anderen Worten: alles was zählt, ist die Ökonomie. Alles andere muss dieser dienen.

Der vorherrschende Markt wird eher durch Konkurrenz als durch Kooperation bestimmt. Angestrebt wird Profit für das Individuum oder für den Konzern, nicht jedoch das Gemeinwohl für die gesamte Gesellschaft. Die Kosten, um diesen Profit zu erreichen, bestehen gewöhnlich in der Umweltzerstörung und in der Schaffung perverser sozialer Ungleichheiten.

Es heißt, der Markt müsse frei sein, und der Staat wird als dessen großes Hindernis angesehen. Der Auftrag des Staates besteht in Wirklichkeit darin, die Gesellschaft und Ökonomie durch Gesetze und Normen zu ordnen und das Streben nach dem Gemeinwohl zu koordinieren. Die Große Transformation setzt einen minimalen Staat voraus, der praktisch auf Zwecke reduziert wird, die sich auf die Infrastruktur, Finanzverwaltung und Sicherheit beschränken. Alles andere gehört zum Markt und wird durch diesen reguliert.

Alles kann dem Markt zugewiesen werden: Trinkwasser, Saatgut, Lebensmittel und sogar menschliche Organe. Die Vermarktung ist in alle Sektoren der Gesellschaft eingedrungen: Gesundheit, Bildung, Sport, Kunst und Unterhaltung und sogar wichtige Bereiche von Religion und Kirchen mit ihrem Fernseh- und Radioprogramm.

Das Organisieren der Gesellschaft ausschließlich um die ökonomischen Interessen des Marktes hat die Menschheit von Grund auf gespalten: eine enorme Kluft ist zwischen Arm und Reich entstanden. Eine perverse soziale Ungerechtigkeit ist vorherrschend.

Gleichzeitig wurde eine schreckliche ökologische Ungerechtigkeit geschaffen. Im Eifer des Akkumulierens wurden Naturgüter und Bodenschätze auf räuberische Weise, grenzenlos und völlig respektlos ausgebeutet. Das Ziel ist, immer reicher zu werden, um noch intensiver konsumieren zu können.

Diese Unersättlichkeit hat die Grenzen der Erde selbst überschritten. Die Naturgüter und –dienste der Erde sind nicht mehr völlig ausreichend und erneuerbar vorhanden. Dies macht es für das kapitalistische Produktionssystem schwierig, wenn nicht unmöglich, sich auf konstante Weise zu regenerieren. Dies ist die Krise.

Durch ihre interne Logik verursacht diese Transformation den Biozid, Ökozid und Geozid. Das Leben selbst ist in Gefahr, und die Erde wird uns möglicherweise nicht mehr auf sich ertragen wollen, da wir zu destruktiv sind.

Die zweite Große Transformation entsteht auf dem Feld des Bewusstseins. Da der Schaden, der der Natur zugefügt wird und auch die Lebensqualität beeinträchtigt, sich ausbreitet, wächst auch das Bewusstsein, dass 90 % dieses Schadens auf die unverantwortliche und unvernünftige Haltung von Menschen zurückzuführen ist, insbesondere auf die Haltung derjenigen ökonomischen, politischen, kulturellen und medialen Eliten, die die großen multilateralen Konzerne umfassen und die die Kontrolle über das Geschick der Welt übernommen haben.

Wir müssen dringend diese Bewegung in Richtung Abgrund stoppen. Die erste globale Studie über den Status der Erde wurde 1972 durchgeführt. Sie zeigte, dass es der Erde nicht gut ging. Die Hauptursache ist die Art von Entwicklung, die die Gesellschaft eingeschlagen hat und die die Limits der Natur und die Kapazität des Planeten Erde überschreitet. Ja, wir müssen produzieren, um die Menschheit zu ernähren, doch in einer Art und Weise, die die Rhythmen der Natur und deren Grenzen respektiert, ihr ermöglicht, sich zu erholen und zu erneuern. Dies nannte man nachhaltige Entwicklung im Gegensatz zum rein materiellen Wachstum, wie es das BSP misst.

Im Namen dieses Bewusstseins und seiner Dringlichkeit entstanden das Prinzip Verantwortung (Hans Jonas), das Prinzip Achtsamkeit (Boff u. a.), das Prinzip Nachhaltigkeit (Brundland Report), das Prinzip Kooperation (Heisenberg/Wilson/Swimme), das Prinzip Prävention/Vorsorge (1992 Brief der UN aus Rio de Janeiro), das Prinzip Mitleid (Schopenhauer/Dalai Lama) und das Prinzip Erde (Lovelock und Evo Morales), in dem die Erde als ein lebendiger Super-Organismus verstanden wird, der stets bereit ist, Leben hervorzubringen.

Die ökologische Überlegung wurde komplex. Sie kann nicht nur auf Umweltschutz reduziert werden. Die Ganzheit des Weltensystems steht auf dem Spiel. Daher entstand eine Umwelt-Ökologie, deren Ziel die Lebensqualität ist; eine soziale Ökologie, die einen nachhaltigen Lebensstil anstrebt (Produktion, Verteilung, Konsum und Müllverarbeitung); eine mentale Ökologie, die Vorurteile und solche Weltvisionen kritisiert, die dem Leben gegenüber feindlich gesonnen sind, und die ein neues Design für die Zivilisation vorschlägt, das auf den Prinzipien und Werten für eine neue Art, das Gemeinsame Haus zu bewohnen, basiert; und schließlich eine integrale Ökologie, die anerkennt, dass die Erde Teil eines Universums in Evolution ist und dass wir in Harmonie mit dem Ganzen leben müssen, die komplex und zweckdienlich ist. Daraus resultiert Frieden.

Dann wird klar, dass Ökologie eine Kunst ist, ein neuer Weg, sich mit der Natur und der Erde in Beziehung zu setzen, mehr als eine Technik zum Verwalten rarer Naturgüter.

Überall auf der Welt entstanden Bewegungen, Institutionen, Organismen, NGOs und Forschungszentren, die sich um die Erde sorgen, insbesondere um alle Lebewesen.

Wenn das Bewusstsein für Achtsamkeit und für unsere kollektive Verantwortung für die Erde und für unsere Zivilisation triumphiert, dann werden wir sicher noch eine Zukunft haben.

übersetzt von Bettina Gold-Hartnack